BERICHT EXPERTENTELEFON \"Rückenschmerzen\" am 9.9.2010

Moderne Therapien lindern chronisch-entzündliche Rückenbeschwerden

Hexenschuss, Bandscheibenvorfall, Rheuma - Rückenschmerzen können viele Ursachen haben. Die Suche nach der eigentlichen Grunderkrankung ist häufig komplex. Chronisch-entzündliche rheumatische Krankheiten wie Morbus Bechterew werden bei vielen Patienten zunächst gar nicht in Betracht gezogen. Dabei leiden in Deutschland immerhin 450.000 Menschen im Alter zwischen 16 und 45 Jahren an der sogenannten ankylosierenden Spondylitis (AS).

Obwohl die schmerzhafte Erkrankung die Patienten ein Leben lang begleitet, haben Betroffene in der Regel eine gute Prognose. Morbus Bechterew ist zwar nicht heilbar, kann aber in den meisten Fällen mit Hilfe moderner Medikamente und regelmäßiger Bewegung gut behandelt werden. Welche Strategien und Therapien den Umgang mit der chronischen Krankheit erleichtern, erklärten vier ausgewiesene Experten am 9. September 2010 an unserem Expertentelefon.

 

 

Prof. Dr. Jürgen Braun, Ärztlicher Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet in Herne. 1. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.

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Prof. Dr. Herbert Kellner, niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Gastroenterologie in München. Ärztlicher Leiter der Abteilung Rheumatologie, Krankenhaus Neuwittelsbach. Ärztlicher Berater der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew.

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Prof. Dr. Joachim Sieper, Leiter der Rheumatologie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin.

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Ludwig Hammel, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V., Schweinfurt.

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Bis die Krankheit diagnostiziert ist, kann viel Zeit vergehen. Rund acht Jahre dauert es, bis ein Morbus Bechterew richtig erkannt wird. Die Diagnostik gestaltet sich oft schwierig. "Das gilt insbesondere, solange keine krankheitsbedingten Veränderungen der Wirbelsäule im Röntgenbild nachweisbar sind", erklärt Prof. Dr. Joachim Sieper. Glücklicherweise gibt es jedoch noch andere Anzeichen, die auch bei frühen Stadien auf die Erkrankung hinweisen können. Neben klassischen Symptomen - schleichender Krankheitsbeginn vor dem 45. Lebensjahr, tief sitzende Rückenschmerzen, Morgensteifigkeit, Besserung bei Bewegung - liefern parallel auftretende Krankheiten wie Schuppenflechte oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) sowie der Nachweis eines genetischen Markers im Blut (HLA - B 27) wichtige Anhaltspunkte. "Es ist gerade deshalb so wichtig, die Früherkennung zu verbessern, weil eine frühzeitig eingeleitete Behandlung den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann", führt der Leiter der Rheumatologie an der Charité in Berlin aus. Erste Informationen zur Früherkennung (Bechterew-Check) sowie eine Expertensuchfunktion finden sich unter www.ruecken-experte.de im Internet.

Uneinheitliche Krankheitsverläufe

Viele Fragen zur Entstehung der Krankheit, die mit starken Rückenschmerzen einhergeht und im weiteren Verlauf zu Versteifungen der Wirbelsäule führen kann, sind noch ungeklärt. "Neben der erblichen Veranlagung und einer Störung im Immunsystem scheinen auch äußere Faktoren eine Rolle zu spielen", erläutert Prof. Dr. Jürgen Braun. Mitunter können auch Entzündungen an anderen Gelenken wie Knie, Schulter oder Hüfte auftreten. "Die Erkrankung kann ganz unterschiedlich verlaufen", betont der Ärztliche Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet in Herne. "Viele Patienten haben Phasen, in denen sich Schmerzen und Symptome immer wieder akut verstärken, andere leiden anhaltend unter Schmerzen." Allerdings kann Morbus Bechterew auch für einige Jahre ganz zur Ruhe kommen. "Gerade wegen dieser uneinheitlichen Verläufe ist es wichtig, sich vom Rheumatologen untersuchen zu lassen und die Therapie immer wieder auf die Aktivität und den Schweregrad der Erkrankung abzustimmen", so Prof. Braun.

Schnelle Schmerzlinderung durch Biologics

Die medikamentöse Behandlung orientiert sich an Erscheinungsform und Schweregrad der Erkrankung. Da die vielfach bei Morbus Bechterew eingesetzten entzündungshemmenden NSAR bei einem Teil der Patienten nicht ausreichend wirken oder aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt werden müssen, bietet ein neuer Behandlungsansatz - die TNF-Hemmung - eine wichtige Erweiterung der Therapiemöglichkeiten. "TNF-Blocker wirken über das Immunsystem, indem sie den Botenstoff TNF hemmen, der Entzündungsvorgänge im Körper antreibt", erklärt Prof. Dr. Herbert Kellner. Bei Morbus Bechterew produziere der Körper diesen Stoff im Überschuss. "Die Hemmung von TNF sorgt dafür, dass es zu einer schnellen Schmerzlinderung kommt", führt der Münchner Rheumatologe aus. So würden die Beweglichkeit der Wirbelsäule sowie die allgemeine Leistungsfähigkeit schon nach wenigen Wochen maßgeblich gebessert.

Gelenke in Bewegung halten

Eine unverzichtbare Ergänzung zur medikamentösen Therapie ist körperliche Aktivität. "Regelmäßige Bewegung ist gerade bei Morbus Bechterew unbedingt notwendig, um ein Einsteifen der Gelenke zu verhindern", betont Ludwig Hammel. Durch ein gezieltes Training werde der Bewegungsapparat besser durchblutet. Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, Volleyball in adaptierter Form und Bogenschießen seien als Begleitbehandlung gut geeignet. "Allerdings sollte das Übungsprogramm vorher mit dem Arzt abgestimmt werden", empfiehlt der Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB) e.V. Die Patienten-Selbsthilfegruppen der Vereinigung organisieren eigene Sportangebote und geben zusätzliche Tipps zu Training und Bewegung.

 

INFOKASTEN

Weitere Tipps und Informationen zum Thema im Internet

  • Umfassende Informationen sowie eine individuelle Fachberatung in medizinischen und sozialrechtlichen Fragen bietet das Online-Portal der DVMB unter www.bechterew.de
  • Neben Hinweisen zur Früherkennung und einer Ärztesuche sind unter www.ruecken-experte.de auch speziell auf die Erkrankung zugeschnittene Übungen zu finden
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Gesundheitsthemen